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11 Mrd. Euro für den Vertrieb

1. März 2024

Dr. Marc Surminski |

Die deutsche Versicherungswirtschaft hat nach wie vor ein Kostenproblem im Vertrieb. Bislang gab es hier allen Beteuerungen der Branche und allen Regulierungsmaßnahmen in Deutschland zum Trotz kaum Fortschritte. Der Vertrieb kostete allein die Personenversicherer 2022 insgesamt 11,1 Mrd. Euro an Abschlussaufwendungen (Leben 8 Mrd. und PKV 3,1 Mrd. Euro). Das sind natürlich nicht allein Abschlussprovisionen – es ist aber eine gewaltige Summe Geld, die insgesamt einen großen Vertriebsapparat auch bei den Versicherern am Laufen hält. Angesichts von stagnierendem oder sogar sinkendem Neugeschäft, deutlich rückläufigen Vermittlerzahlen und ständig wachsenden Möglichkeiten zur digitalen Beratung muss sich die Branche fragen lassen, ob das zukünftig noch zu rechtfertigen sein wird.

Bislang sind die Versicherer von schärferen Eingriffen in den Vertrieb einigermaßen verschont geblieben. Entsprechende Initiativen aus Berlin oder Brüssel wurden abgewehrt oder zumindest deutlich abgeschwächt. Aber die Versicherer sollten nicht darauf vertrauen, dass es auch künftig so bleibt. Der Versicherungswirtschaft wohlgesinnte Institutionen wie die BaFin, aber auch eher branchenkritische Institutionen wie die aktuelle EU-Kommission dringen weiter darauf, dass die Kosten vor allem in der Personenversicherung sinken. Hier drohen den Versicherern mit der europäischen Value-for-Money-Agenda künftig schmerzhafte Eingriffe.

Der BaFin-Chef Mark Branson hat es kürzlich auf einer Veranstaltung der SZ unmissverständlich auf den Punkt gebracht: In der Branche hätten Viele viel zu lang zu gut im Geschäft mit Lebensversicherungen verdient, und zwar zulasten der Kunden. Der Lebensversicherungs-Markt bei langlebigen Sparprodukten funktioniere nicht so, wie er sollte, und daran hätten Vertriebskosten und Provisionen einen wesentlichen Anteil. Auch um Interessenkonflikte im Vertrieb künftig besser zu begrenzen, kündigte Branson eine Verschärfung der Wohlverhaltensaufsicht durch die BaFin an.

In dieser Diskussion geht es nicht nur um den Umgang mit den berühmten schwarzen Schafen, sondern um eine grundsätzliche Neuorientierung der Branche. Wie kann man sich der Politik für die Zukunft als wichtiger Partner etwa bei der reformierten zusätzlichen Altersvorsorge empfehlen, wenn man unverändert mit hohen Kosten operiert? Für die Politik liegt dann der Schritt zu Eingriffen in den Vertrieb wie Kostenvorgaben für neue geförderte Standardprodukte oder schärfere Maßnahmen wie die Pflicht zu Opt-Out-Lösungen nahe. Aus Brüssel drohen darüber hinaus unverändert Provisionsdeckel und Provisionsverbot.

Keine Frage: Gute Beratung muss auch in Zukunft vernünftig vergütet werden. Aber wenn sich immer mehr Vertriebsaktivitäten digital abspielen und etwa Plattformen und Portale immer umfangreichere Online-Beratungsmöglichkeiten bieten, sind über 11 Mrd. Euro an Abschlussaufwendungen pro Jahr allein in Leben und Kranken immer schwerer zu begründen.

Kann die Branche die Kraft aufbringen, hier im Sinne der Kundeninteressen selbstregulierend einzugreifen? Skepsis ist angebracht, wie die Vergangenheit lehrt. Zu stark ist quer durch den Markt bis heute die Abhängigkeit von bestimmten Vertriebsformen, die für viel Geld viel Neugeschäft bringen. Es bleibt die Hoffnung, dass der mehr oder weniger sanfte Druck der BaFin die Branche nun doch in Bewegung bringt – um Schlimmeres zu verhindern und die Vermittler weiter im Spiel zu halten.

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