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„Automatisierung ist kein Schalter, den man einfach umlegt“

1. Juni 2025

Oliver Wibbe, BPO-Experte und Geschäftsführer von SPS Germany GmbH, über die Bedeutung von Automatisierung, Datenqualität und KI im Schadenmanagement – und warum viele Kfz-Versicherer umdenken müssen.

Ihr Unternehmen hat jüngst das Whitepaper „Schadenmanagement in der Krise“ veröffentlicht. Darin heißt es, die Automatisierung im Schadenmanagement bleibe weit hinter den Erwartungen zurück und Rückstände in der Schadenbearbeitung würden immer größer. Woran liegt das?

Oliver Wibbe: Automatisierung ist kein Schalter, den man einfach umlegt. Damit sie funktioniert, braucht es verlässliche Datenqualität, durchgängige Prozessketten und kompatible Schnittstellen. Auffällig ist bei vielen Versicherern vor allem der hohe manuelle Aufwand in zentralen Bereichen – etwa bei der Belegprüfung, dem Clearing oder der Schadenklassifikation. Informationen werden häufig noch händisch ins System übertragen, überprüft oder nachbearbeitet. Zudem ist das Schadenaufkommen nach der Pandemie wieder angestiegen, während gleichzeitig Mitarbeiterkapazitäten stagnieren oder sogar abnehmen. Diese Diskrepanz zählt zu den Hauptgründen für die aktuell sehr hohen Rückstände in vielen Schadenabteilungen.

Lässt sich der Fachkräftemangel durch Outsourcing entschärfen – oder verschiebt man das Problem nur?

Wibbe: Outsourcing ist keine bloße Verlagerung, sondern eine gezielte Entlastung. Es geht nicht darum, Probleme zu exportieren, sondern Prozesse so zu strukturieren, dass intern wieder Luft für komplexe, kritische und kundennahe Aufgaben entsteht. Wir übernehmen standardisierbare Prozesse – mit der nötigen Genauigkeit, Geschwindigkeit und Skalierbarkeit. Das entlastet die Teams und schafft Stabilität, gerade bei Rückständen oder Systemumstellungen.

Im Whitepaper unterscheiden Sie vier Outsourcing-Typen in der Kfz-Versicherung. Wie bewerten Sie diese Differenzierung aus Dienstleistersicht?

Wibbe: Sie trifft den Markt sehr genau. Wir sehen Institute mit klarer BPO-Roadmap – aber auch viele, die nur punktuell reagieren, etwa bei Rückständen oder saisonalen Peaks. Bei allen jedoch steigt die Bereitschaft hin zu BPO – auch weil der Leidensdruck wächst und viele merken, dass sie mit internen Mitteln allein nicht mehr weiterkommen. Der Weg Richtung BPO beginnt meist mit konkreten operativen Problemen – Rückstände, ineffizientes Dateneingangsmanagement, Fachkräftemangel. Wichtig ist: Es braucht eine strategische Einbindung. Wer einfach nur Aufgaben abgibt, ohne sich Gedanken über Steuerung, Qualität und Integration zu machen, wird keine nachhaltige Verbesserung sehen.

Wo sehen Sie die Rolle von KI im Schadenmanagement – und was erwarten Kunden wirklich?

Wibbe: Sicherlich stellt sich nicht mehr die Frage, ob KI das Business verändern wird, sondern nur noch wo, wie, wie schnell und vor allem wie zuverlässig. Mir wurde kürzlich eine 90-Prozent-Erkennungsrate als Erfolg verkauft. Für viele unserer Kunden aus Insurance, Banking oder Health reicht das bei Weitem nicht aus. Wir sprechen hier von Prozessen, die 99,99% Genauigkeit erfordern. Entscheidend ist für uns nicht wie hoch die Erkennungsrate ist, sondern vielmehr wie gering die False-Positive-Rate tatsächlich ist. Klar ist auch: KI kann schon heute die durchschnittliche Bearbeitungszeit um 40 bis 60% senken. Aber sie ersetzt nicht die Menschen. Qualitätssicherung, Ausnahmebehandlung oder Plausibilitätsprüfungen bleiben wichtig – und genau hier ergänzen sich menschliche Expertise und Technologie optimal.

Was raten Sie Unternehmen, die sich bei der Einführung von KI schwertun oder schon erste Rückschläge erlebt haben?

Wibbe: Zwei Dinge: Erstens, wer automatisieren will, braucht strukturierte, konsistente und qualitativ hochwertige Daten. KI funktioniert nur, wenn sie eingebettet ist in saubere Datenprozesse und professionelles Ausnahmehandling – sonst bleibt KI ein teurer Testballon. Zweitens fehlt oft ein realistischer Blick auf den Reifegrad der eigenen Organisation. KI ersetzt keine Prozesse, die schon vorher nicht funktioniert haben.

Wie gelingt Versicherern der Einstieg ins Business Process Outsourcing, wenn sie jetzt handeln wollen – aber nicht wissen, wo sie beginnen sollen?

Wibbe: Nicht alles gleichzeitig angehen. Beginnen Sie mit Prozessen, die wiederkehrend sind, einen hohen manuellen Aufwand verursachen und eine geringe Dunkelverarbeitungsquote aufweisen. Nutzen Sie Pilotprojekte, um Erfahrungen zu sammeln – und BPO-Dienstleister als Sparringspartner, der nicht nur entlastet, sondern mitdenkt. Automatisierung ist kein Selbstläufer, das zeigt auch unser Whitepaper. Aber mit den richtigen Partnern und einem klaren Ziel kann sie zum echten Hebel werden.

Das vollständige Whitepaper steht hier zum Download bereit:

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