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Den Leistungskern beschädigt

1. April 2024

Dr. Marc Surminski |

Es war ein Winter des Missvergnügens für viele deutschen Auto- und Krankenversicherer und ihre Kunden. Und im Frühling ist noch längst nicht alles wieder gut. Beim Kfz-Marktführer HUK-Coburg gab es einen gewaltigen Rückstand in der Schadenbearbeitung. Aber das scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein: Auch bei anderen Versicherern drang Kritik an unhaltbaren Zuständen in der Regulierung von Schäden nach draußen.

Soweit man heute sehen kann, haben die Probleme ihre Hauptursache in einer Fehleinschätzung der Schadenentwicklung nach Corona. Fast drei Jahre lebten speziell die Auto- und die Krankenversicherer in der besten aller Schadenwelten, weil weniger Auto gefahren wurde und die Leute weniger zum Arzt und ins Krankenhaus gingen. Jetzt liegen die Schäden wieder auf Normalniveau – und es stellt sich heraus, dass nicht genug Personal da ist, um diese wie gewohnt bearbeiten zu können. Nach dem Ausscheiden von Mitarbeitern wurden Stellen nicht wiederbesetzt; stattdessen setzten manche Versicherer offenbar auf die Wirkung digitaler Tools beim Schadenmanagement.

Diese Hoffnung hat getrogen. Gut möglich, dass Automatisierung und der Einsatz von KI in Zukunft die Schadenbearbeitung revolutionieren – aber noch nicht heute. In der ungemütlichen Realität des Jahres 2024 geht es nur mit den guten alten Menschen in Gestalt von qualifizierten Sachbearbeitern. Deren Zahl nimmt in Folge des demographischen Wandels aber kontinuierlich ab. KI und Co. sind bislang kein Ersatz. Wenn dann noch eine Grippewelle die Ausfälle in den Belegschafen nach oben treibt, kommt es zum Kollaps.

Weltweit wird in bunten Präsentationen eine vollständig digitale, automatisierte Schadenabwicklung etwa per App beschworen. Für deutsche Versicherer klingen solche Visionen angesichts der aktuellen Erfahrungen wie Science-Fiction. Womöglich wäre ja alles besser, wenn die Kunden ihre Schäden nur per App einreichten. Aber wenn Sie dann in ihrer App informiert werden, dass es sechs Wochen dauert, bis der Schaden reguliert werden kann, ist der Digitalisierungsgewinn eher überschaubar. Die Schäden müssen am Ende eben doch noch von Menschen in den Schadenabteilungen bearbeitet werden

Für das Image der Versicherer sind diese Probleme ein schwerer Schlag. Sie treffen das zentrale Leistungsversprechen der Assekuranz: im Schadenfall für die Kunden da zu sein. Die Manager, die für die Fehleinschätzung verantwortlich sind, haben nicht nur für Frust bei Mitarbeitern, Vermittlern und Kunden, für höhere Kosten bei der Aufarbeitung der Rückstände durch den Einsatz von Dienstleistern und für ein gestiegenes Stornorisiko gesorgt. Sie müssen sich auch vorhalten lassen, dass sie den Kern des Geschäftsmodells beschädigt haben.

Bemerkenswerterweise waren es Mitarbeiter und Vermittler, die sich über die Zustände beschwert und sie an die Fachöffentlichkeit gebracht haben. (Massenmedien scheint das Thema bislang kaum zu interessieren). BaFin und Verbraucherschützer waren nicht involviert. Dabei gehört der Kampf gegen akute Missstände, die unmittelbar die Verbraucher betreffen, zu ihrem Auftrag. Womöglich ist die BaFin momentan in Sachen Verbraucherinteressen mit ihrem Kampf gegen zu hohe Abschlusskosten in der Lebensversicherung ausgelastet. Und die Verbraucherschützer widmen sich lieber ihrem Lieblingsthema, dem Kampf gegen Abschlussprovisionen und für Honorarberatung. Das ist ein Glück für die Versicherer. So können sie schleunigst aus eigener Kraft die Probleme lösen, ohne in der breiten Öffentlichkeit an den Pranger gestellt zu werden.

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