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Ein Jahr der verpassten Chancen

15. Dezember 2023

Dr. Marc Surminski |

2023 war ein Jahr der Multi-Krisen. Aus Sicht der Versicherer war es aber auch ein Jahr der verpassten politischen Chancen. Die Bundesregierung hat wesentliche sozialpolitische Weichenstellungen versäumt. Angesichts der vielen drängenden aktuellen Probleme und der Ausnahmesituation in etlichen Politikbereichen mag man dafür Verständnis haben. Aber bei den dringend nötigen Reformen etwa in der Renten- und Pflegeversicherung ist der Faktor Zeit nun einmal entscheidend für die Wirkung, wenn man mit mehr Kapitaldeckung die demographischen Probleme der gesetzlichen Sicherungssysteme entschärfen und das Umlagesystem am Leben erhalten will.

Bei der Reform der geförderten privaten Altersvorsorge geht es seit vielen Jahren nicht voran. Mit den Vorschlägen der Expertengruppe hat die Bundesregierung seit Juli nun immerhin eine Grundlage für den Neuanfang. Aber im Bundesfinanzministerium dürfte man angesichts der gewaltigen Haushaltslöcher durch das Karlsruher Urteil im Moment andere Sorgen haben als diese Reform. An der Umsetzung hat man jedenfalls bisher noch gar nicht gearbeitet; ob es in dieser Legislaturperiode gelingen wird, mit einem neuen Konzept wieder Schwung in die private Altersvorsorge zu bringen, ist fraglich. Für die Menschen bleibt somit weniger Zeit, den von fast allen Parteien geforderten Aufbau von Kapital für die Altersvorsorge voranzubringen.

Außerdem ist die Zukunft des „Generationenkapitals“ wegen der Haushaltsnotlage ungeklärt. Hier ist geplant, nach dem Vorbild anderer Länder mit Staatsfondslösungen einen zusätzlichen Kapitalstock aufzubauen. (Ob man das wirklich im Rahmen des gesetzlichen Rentensystems tun sollte, sei einmal dahingestellt.) Das Geld dafür fehlt nun, und der Einstieg in mehr Kapitaldeckung wird sich verzögern. Hätte man wie eigentlich vorgesehen schon zu Beginn des Jahres das Geld investiert, wäre das neue Konzept mit einem schönen Börsenplus ins Leben gestartet. Diese Chance wurde vertan.

Bei der gesetzlichen Pflege wird die Not von Jahr zu Jahr größer. Zu einer echten Reform der Pflegeversicherung kann sich die Politik seit Jahren nicht durchringen. Und sie scheint völlig blind für die Erkenntnis zu sein, dass nur eine Maßnahme die Pflege langfristig zumindest stabilisieren kann: mehr Kapitaldeckung. Das Umlagesystem wird sonst angesichts der demographischen Entwicklung vollends zusammenbrechen. Aber in der Pflege gibt es – anders als bei der Rente – noch nicht einmal ansatzweise einen politischen Konsens für mehr Kapitaldeckung. Die Vorschläge der PKV – etwa mit den Ideen eines Expertenrats für die Finanzierung eines Eigenanteiles an den Pflegekosten über Kapitaldeckung – verhallten in der Politik ungehört. Karl Lauterbach scheint in der alten Frontstellung gegenüber der PKV zu verharren und aus ideologischen Gründen zu keiner Reform bereit zu sein.

Es gibt allerdings einen Bereich, bei dem sich die Versicherungswirtschaft über den mangelnden Reformeifer der Politik nicht beklagen dürfte. Die Pläne zur Einführung einer Elementarpflichtversicherung kommen nicht voran – auch weil die FDP in der Bundesregierung den Wünschen der Länder nach einer Pflichtlösung skeptisch gegenübersteht. Und je länger das traumatische Erlebnis der Ahrtal-Flut zurückliegt, umso mehr dürfte der Reform-Eifer hier insgesamt erlahmen. Vielleicht hätte das Opt-out-Konzept des GDV dann eine Chance, für die dringend notwendige höhere Versicherungsdeckung zu sorgen.

Auf jeden Fall werden alle diese Themen die Politik im nächsten Jahr weiter beschäftigen. Es bleibt zu hoffen, dass 2024 nicht auch wieder zu einem Jahr der verpassten Chancen wird.

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