Industrieversicherung in Bewegung
1. Oktober 2024Dr. Marc Surminski |
Der Industrieversicherungsmarkt ist in Bewegung. Und damit sind nicht die traditionellen Zyklen von Preissenkungen und Sanierung und auch nicht die ritualisierten jährlichen Scharmützel um zu hohe Prämien und zu restriktive Bedingungen gemeint, die das Industriegeschäft seit ewigen Zeiten prägen. Diesmal geht es um etwas Anderes: Gelingt der deutschen Industrieversicherung der Sprung ins digitale Zeitalter?
Mit der Initiative des GVNW zur Schaffung einer einheitlichen Datenplattform Risk Data Exchange (RD-X) besteht die realistische Möglichkeit, dass es tatsächlich zu diesem Sprung kommt. Vor über zehn Jahren war die Platzierungsplattform Inex24 relativ kläglich gescheitert – auch wegen des Widerstands von Maklern und Versicherungsmanagern in der Industrie, die um ihre Rolle im Markt fürchteten. Bei dem neuen Ansatz soll es nun rein um den Datenaustausch zwischen den Marktteilnehmern gehen, der bislang noch weitgehend im unkoordiniert prähistorischem Zustand über die Versendung von Excel-Dateien per E-Mail funktioniert – schon allein aus Datenschutzsicht heute eigentlich untragbar.
Seit vielen Jahren beschwert sich die Industrie, dass die Versicherer bei der Digitalisierung hinterherhinkten und etwa die hohen Standards der automatisierten Datennutzung, wie sie in der Industrie längst üblich seien, nicht erreichten. Einzelne neue Plattformkonzepte, etwa von Lloyd‘s oder Swiss Re Corporate Solutions, tun sich schwer, daran marktweit etwas zu ändern. Statt weiter zu klagen, haben die Versicherungsmanager der Industrie nun das Heft selbst in die Hand genommen und den Markt zu einer gemeinsamen Lösung eingeladen. Der Zuspruch von Versichererseite und aus der Maklerschaft lässt momentan darauf schließen, dass es realistische Aussichten auf einen Erfolg des Projekts gibt.
Dabei steht es freilich noch ziemlich am Anfang. Marktakzeptanz ist die größte Hürde, aber dann beginnen die Mühen der Umsetzung. Technisch ist bisher wenig vorbereitet. Außerdem ist die Frage der Finanzierung noch nicht geklärt. Wenn wie geplant nur Versicherer und Makler zahlen, verlöre die Industrie an Einfluss bei der Ausgestaltung der Plattform und ihrer künftigen Entwicklung. Im Interesse der Kunden sollte man die Geschicke von RD-X nicht allein den Versicherern und Maklern überlassen.
Es wäre kein gutes Signal für die Zukunftsfähigkeit der Industrieversicherung, wenn die neue Plattform an Finanzierungsfragen oder Kompetenz-Eifersüchteleien scheitern sollte. Letztlich geht es auch um die Relevanz von Versicherungen in einem immer komplexeren Risikoumfeld. „Wir investieren in die Digitalisierung unseres Risikomanagements und erwarten dies auch von unseren Partnern“, sagte der Finanz-Chef von BMW auf dem diesjährigen GVNW-Symposium. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Kategorisiert in: 202410 Titelthema Wirtschaftskommentar