Kundeninteresse, Aufsicht und Marktwirtschaft
1. Dezember 2025Dr. Marc Surminski |
Paradigmenwechsel bei der Versicherungsaufsicht: Traditionell der Stabilität des Marktes und dem Schutz der Verbraucher verpflichtet, ist die BaFin seit einiger Zeit in einer neuen Richtung unterwegs. Getrieben nicht zuletzt vom großen europäischen Trend „Value for Money“ in der Altersvorsorge steht aktuell das Kundeninteresse weit oben auf der Agenda. Dass Verbraucher vor unsolide kalkulierenden Versicherern und ihren Produkten durch die Aufsicht geschützt werden müssen, ist seit Langem Konsens im Markt. Aber deutlich schwieriger ist es, wenn eine Behörde sich damit beschäftigt, wie Produkte gestaltet sein müssen, damit sie „im Kundeninteresse” sind.
So überzeugend der Kampf für das Kundeninteresse auf den ersten Blick auch sein mag – schaut man genauer hin, ergeben sich Zweifel. Welcher Kostensatz – um das Beispiel der Wohlverhaltensaufsicht in der Lebensversicherung heranzuziehen – ist denn im Kundeninteresse? Kann das die Aufsicht festlegen? („25%-Quantil der Teuersten“?). Oder sollte es in einer freien Wirtschaftsordnung nicht der Markt sein, der darüber entscheidet, was im Kundeninteresse ist – weil letztlich die Produkte, die das Interesse am besten bedienen, auch die erfolgreichsten sind?
In der Versicherungswirtschaft mit ihren komplexen Produkten und den oft verschleiernden Kostenstrukturen fällt es den meisten Kunden (und auch vielen Vermittlern) zugegebenermaßen oft schwer zu erkennen, welche Produkte ihren Interessen am besten entsprechen. Aber wäre es dann nicht Aufgabe des Gesetzgebers und der Aufsicht, endlich mit praxisfreundlichen Transparenzvorgaben für die nötige Klarheit zu sorgen, damit dann der Wettbewerb darüber entscheiden kann, welches Produkt im bestmöglichen Interesse der Kunden ist?
Oder, anders herum formuliert: Hat in einer freien Marktwirtschaft der Anbieter nicht das Recht, seine Profite zu maximieren und die Produkte entsprechend zu kalkulieren? Natürlich ist das nicht im Kundeninteresse. Aber auch in anderen Wirtschaftszweigen gibt es keine Verpflichtung, im Kundeninteresse zu agieren – in wie vielen Fällen ist der Kauf eines überteuerten Porsches im Kundeninteresse?
Politik und Aufsicht sollten in einer Marktwirtschaft, die wir ja in Deutschland trotz aller anderslautenden Vermutungen immer noch haben, letztlich nur sinnvolle Rahmenbedingungen vorgeben: zum Beispiel Sicherheitsstandards, Kapitalunterlegung, Kostentransparenz. Wenn man das in der Versicherungswirtschaft gerade im Bereich der immer wieder kritisierten Altersvorsorgeprodukte vernünftig hinbekäme, wäre schon viel gewonnen.
Natürlich ist es nicht im Kundeninteresse, wenn die Effektivkosten für eine Fondspolice so hoch sind, dass sie kaum ins Verdienen gebracht werden kann. Aber wenn der Kunde auf einen Blick (und ohne ein Studium der Betriebswirtschaftslehre) erkennen könnte, was ihn eine Unterschrift bei den einschlägigen Finanzvermittlern kostet, lösten sich etliche Probleme von selbst. Verbraucherschützer argumentieren zwar seit langem, dass mehr Transparenz nicht reiche, um die Kunden vor schlechten Angeboten zu schützen. Aber es ist in Deutschland auch noch nie so richtig konsequent versucht worden mit der Transparenz.
Kategorisiert in: 202512 Titelthema Wirtschaftskommentar

